Mit dem kurzen Begriff Seminar bezeichnen viele Backnanger bis heute das Gebäude, das 1906 bis 1909 an der Richard-Wagner-Straße als evangelisches Lehrerseminar errichtet wurde und heute die Mörikeschule und Teile der Schickhardt-Realschule beherbergt. Das markante Jugendstilgebäude prägt mit seinen drei Dachreitern bis heute das Stadtbild. Die bis 1935 bestehende Einrichtung übte große Ausstrahlung auf die Stadt und ihr kulturelles Leben aus. Die Lehrerseminare wurden für die Ausbildung der Lehrer der Volksschulen eingerichtet und galten als Keimzelle der Verbesserung dieser Schulart. Ende des 19. Jahrhunderts herrschte in Württemberg Lehrermangel, dem man durch die Einrichtung eines fünften Lehrerseminars begegnen wollte. Nicht zuletzt dadurch, dass hier seit 1903 in der Gerberstraße 27/29 bereits eine private Präparandenanstalt zur Vorbereitung auf das Lehrerseminar bestand, fiel die Standortwahl auf Backnang.
Am 24. Mai 1909 konnte das nach Plänen von Oberbaurat Albert von Beger errichtete Seminar eingeweiht werden. Es umfasste neben dem Hauptgebäude eine Turnhalle sowie ein Küchengebäude mit Speisesaal und war als Internat eingerichtet. Der Betrieb begann mit drei Kursen und fast 90 Schülern, die von einem neunköpfigen Lehrerkollegium unterrichtet wurden. Die Zahl der Seminaristen schwankte nach dem Ersten Weltkrieg erheblich, sodass zeitweise sogar die Schließung drohte. Zu der kam es 1935, nachdem auch in Württemberg die Hochschulbildung auf die Volksschullehrer ausgeweitet und die Seminare aufgelöst wurden. In den 26 Jahren seines Bestehens wurden im Backnanger Seminar rund 1100 Lehrer ausgebildet. Bereits 1934 war in Räumen des Seminars eine Nationalpolitische Erziehungsanstalt eingerichtet worden, die bis 1945 bestand. Bei Kriegsende diente das Gebäude den amerikanischen Truppen als Hilfslazarett. Anschließend nutzte man es als Unterkunft für Personen, die sich aufgrund des Krieges außerhalb ihrer angestammten Heimat befanden (Displaced Persons). Ab 1950 wurden Flüchtlinge im Seminar untergebracht, darunter 1953 für einige Monate der spätere Bundespräsident Dr. Horst Köhler. Gleichzeitig konnte ein Teil des Gebäudes für Schulzwecke verwendet werden. 1959 beschloss der Gemeinderat, das Seminar vom Land zu kaufen und es für 20 Klassen der Volksschule auszubauen. Nach Abschluss der Umbauarbeiten konnte 1961 die Mörikeschule und nach einer Erweiterung 1992 zusätzlich die Schickhardt-Realschule einziehen.