Das Gebäude Spinnerei 48, das heute unter anderem das Finanzamt Backnang beherbergt, wurde zwischen 1906 und 1910 als neues Werk der Spinnerei J. F. Adolff auf Gemarkung Steinbach errichtet. Die Ursprünge des Unternehmens reichen bis ins Jahr 1832 zurück, als in einer Ölmühle an der Weißach eine mechanische Spinnerei eingerichtet wurde. Zu den daran beteiligten Personen gehörte auch der Tuchscherer Immanuel Adolff aus Backnang. Dessen Sohn Johann Friedrich stieg 1834 in das Unternehmen ein, übernahm es im Jahr 1839 vollständig und gab ihm den Namen Spinnerei J. F. Adolff.
Die nächsten Jahrzehnte waren geprägt durch die Umstellung des Betriebs von der Lohn- zur Verkaufsspinnerei und der Einführung des Baumwollspinnens. Mit der Aufstellung einer ersten Dampfmaschine im Jahr 1863 konnte sich die Spinnerei Adolff nach und nach von der bis dahin genutzten Wasserkraft unabhängig machen und läutete damit eine Phase der Industrialisierung ein, die durch den Eisenbahnanschluss Backnangs in den Jahren 1876 bis 1879 noch erheblich verstärkt wurde. In den rund 30 Jahren danach entwickelte sich das Unternehmen unter der Leitung von Eugen Adolff zu einer der größten Spinnereien im Deutschen Reich und zog ein für Backnang einzigartiges Bauprogramm durch, das die Größe der Fabrikanlage bis 1910 mehr als verdreifachte. Die Zahl der Beschäftigten betrug Ende 1911 bereits 520, darunter auch zahlreiche auswärtige Fabrikarbeiterinnen, die im eigens dafür errichteten „Marienheim“ untergebracht waren.
1912 bekam die Spinnerei Adolff sogar eine eigene Bahn-Haltestelle „Backnang-Spinnerei“, die zu einem deutlichen Anstieg der Pendlerzahlen führte. 1939 beschäftigte die Spinnerei Adolff rund 1650 Mitarbeiter, was zu der Zeit fast einem Drittel aller in Backnang Beschäftigten entsprach. In Ehingen baute man 1958 die damals modernste Baumwollkammgarnspinnerei Europas, in Backnang brachte man 1963 die Streichgarnspinnerei produktionstechnisch auf den neuesten Stand. 1964/65 errichtete die Spinnerei Adolff in Berlin eine Halbkammgarnspinnerei – der erste Neubau eines Industrieunternehmens nach dem Mauerbau. Der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin Willy Bandt bezeichnete dies als „mutige unternehmerische Tat“. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte man insgesamt 3471 Mitarbeiter, davon 2305 in Backnang. Mitte der 1970er-Jahre war die Adolff-Firmengruppe mit etwas über 8000 Mitarbeitern und rund 400 Millionen DM Umsatz die drittgrößte Textilgruppe und die mit Abstand größte Spinnerei in Deutschland.
Um der zunehmenden Konkurrenz der Niedriglohnländer zu begegnen, investierte die Spinnerei Adolff in neue Produktionsbereiche. Sie brachte mit der Polital-Faden- und Gewebetechnik sowie dem Poligras-Kunstrasen zwei völlig neue Fertigungsbereiche auf den Markt. Vor allem der Bereich Poligras entwickelte sich positiv, konnte man doch für die Olympischen Spiele 1980 in Moskau zwei Sportfelder liefern. In diesem Jahr entstand auf der Sportanlage Büttenenfeld (heute: Karl-Euerle-Sportanlage) in Backnang auch das erste Poligras-Spielfeld in Baden-Württemberg. Die Verluste aufgrund der Umsatzrückgänge bei Garnen versuchte man durch die Vermietung von frei gewordenen Produktionsflächen auszugleichen, was jedoch nicht gelang. Im August 1989 gab die J. F. Adolff AG die Schließung ihres Produktionsstandortes Backnang bekannt. Das Werksareal wurde an den Münchener Investor Doblinger Industriebau (DIBAG) veräußert, der daraus einen Industrie- und Gewerbepark schuf. 1991 ging die Spinnerei Adolff schließlich in Konkurs.